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Arm und auch noch ausgegrenzt…

Oft heißt es, dass wir das große Glück haben, im Wohlstand zu leben. Das gilt in der Tat für einen großen Teil der Bürger. Doch keineswegs…

Arm und auch noch ausgegrenzt Kolping-Mainfranken prämiert vier Kurzfilme von Jugendlichen aus Unterfranken

Oft heißt es, dass wir das große Glück haben, im Wohlstand zu leben. Das gilt in der Tat für einen großen Teil der Bürger. Doch keineswegs für alle. Viele Menschen sind arm. Viele verarmen aktuell. Was es für Kinder und Jugendliche bedeutet, in Armut leben zu müssen, davon erzählen Schülerinnen und Schüler aus Unterfranken eindrucksvoll in vier Kurzfilmen. Öffentlich präsentiert und prämiert wurden sie bei der Abschlussveranstaltung des Filmwettbewerbs „Armut trifft Jugendliche“ im Kolping Center Mainfranken.

Tim, Hauptdarsteller eines Kurzfilms der 7a der Mittelschule Burkardroth (Kreis Bad Kissingen), ist so ein Junge, in dessen Familie jeder Cent dreimal umgedreht werden muss. Dass das nicht gerade gut draufmacht, ist eigentlich leicht nachzuvollziehen. Doch seinen Mitschülern ist Empathie fern. Es hagelt ignorante und patzige Bemerkungen.

„Was für ein Schlurchi“, murmelt einer seiner Mitschüler hinter Tim her. Mit Fingern deuten die andern auf ihn, weil er nicht so cool daherkommen kann wie sie. In der Pause geht Tim leer aus. Er hat kein Geld, um sich was vom Kiosk zu kaufen. Und keiner hat mehr Lust, ihm noch was zu leihen. Zu oft hat Tim schon um einen Euro gebettelt. Selbst seine Lehrerin checkt nicht, wie es um den Jungen steht: Fehlt ihm noch einmal das verlangte Material, droht sie ihm, gibt es einen Verweis.

Es ist das eine, Kinder- und Jugendarmut öffentlich zur Debatte zu stellen. Und das viel eindrücklichere andere, Kinder und Jugendliche selbst davon erzählen zu lassen, wie sie Armut wahrnehmen. Und welche Auswirkungen Armut nach ihrer Beobachtung ganz konkret auf das Leben junger Menschen hat. Schülerinnen und Schüler der Schweinfurter Adolph-Kolping-Schule zeigen dies am Beispiel ihrer Protagonistin Steff auf. Steff hat ihren Vater nie kennen gelernt. „Er ist Milch holen gegangen, als ich klein war“, erzählt die Jugendliche in dem Vierminüter süffisant. Steff lebt mit ihrer Mutter, einer Alkoholikerin, zusammen. Meist ist der Kühlschrank leer. Bis auf Wein und Schnaps.

Armut, das heißt nicht nur, dass sich auf dem Küchentisch eine unbezahlte Rechnung auf der anderen stapelt. Armut bedeutet nicht nur, ständig nach Geld jagen zu müssen. Um etwas zu essen kaufen zu können. Um die Miete zu zahlen. Armut bedeutet Ausgrenzung. Davon erzählen alle Filme der Jugendlichen. Eben weil dieser emotionale Aspekt in den Beiträgen so stark betont wird, aber auch wegen der geschickten Regie und der schauspielerischen Leistung der Jugendlichen, gehen einem die Filme noch lange nach.

Auffällig ist, dass Erwachsene, die sich doch eigentlich als verständnisvolle Obleute von Kindern und Jugendlichen in schwierigen Lebenssituationen verstehen sollten, in den Filmen zum Teil gar nicht gut wegkommen. So stößt Steff, ähnlich wie Tim im Film der Schüler von Burkardroth, auf wenig Verständnis bei ihrer Lehrerin. Die sieht nur: Steff ist mal wieder zu spät. Dabei hat es Gründe, wenn junge Leute notorisch zu spät kommen oder immer mal wieder einen Termin sausen lassen. Oft lauern dahinter emotionale Probleme.

Steff spürt: Eigentlich interessiert sich niemand aus der Erwachsenenwelt für sie. Dabei steckt sie in tausend Nöten. Zum Beispiel wegen des Geldes, das sie sich geliehen hat. Das sie nicht zurückzahlen kann. Und das immer aggressiver von ihr zurückgefordert wird. Dann macht auch noch ihr Freund Schluss. Steff stürzt in einen Abgrund von Verzweiflung.

 

Im Rahmen der Abschlussveranstaltung zu dem einjährigen Film-Wettbewerb wurden folgende Schulen und Klassen für ihre Filmbeiträge von Kolping mit erlebnispädagogischen Gemeinschaftsaktionen prämiert:

  1. Platz            Film-AG der Berufsschule Adolph Kolping in Schweinfurt
  2. Platz            Klasse 7 des Staatlichen Gymnasiums Lohr  und die Film-AG
                        der Mittelschule  Adolph Kolping in Würzburg
  3. Platz            Klasse 7 der Staatlichen Mittelschule Burkardroth

 

Gewinn-Preise waren ein Hochseilgarten-Event am Volkersberg, ein Kanu-Event auf der Fränkischen Saale, eine Floßbau-Aktion auf einem See bei Aschaffenburg sowie ein Menschenkicker für ein Schulfest.

 

Die Würzburger Adolph-Kolping-Schule erarbeitete ihren Beitrag in einem Dreiminüter mit dem Titel „Geld regiert die Welt“. Geld, zeigt der Streifen auf, reagiert nicht zuletzt die kleine Welt junger Leute. Haben die zu wenig Cash, um sich zum Beispiel angesagte Schuhe zu kaufen, verlieren sie den Anschluss.

Es geht den Teenies nicht darum, ein ausschweifendes Leben zu führen. Es geht nicht um Luxus. Nicht um übermäßige Schwelgereien. Letztlich geht es überhaupt nicht um Materielles. Die jungen Leute, zeigen die Filme, sehnen sich nach Anerkennung. Sie wollen Teil einer Gruppe sein. Bitter: Türöffner ist das Geld. Ist das Materielle. Und so entscheidet sich die Protagonistin von „Geld regiert die Welt“, sich das, was sie sich nicht leisten kann, zu klauen. In diesem Fall hat das Mädchen Glück: Am Ende findet sie einen Kameraden, der sie so akzeptiert, wie sie ist. Mit ihrem ureigenen „Style“.

Vielerorts laden Schulen Mobbingexperten ein, damit Kinder und Jugendliche aus berufenem Munde hören, wie mies es ist, andere, zum Beispiel aufgrund von Armut, auszugrenzen. Das mag auch einen gewissen Effekt haben. Wesentlich effektiver ist es jedoch, Jugendliche selbst darüber nachdenken zu lassen, wie unglaublich fies es ist, Gleichaltrige verbal zu piesacken, nur weil sie materiell nicht mithalten können. Eben dies zeigen Gymnasiasten aus Lohr in ihrem Beitrag „Mobbing ist keine Lösung“. Dabei lassen sie Playmobil-Figuren auf höchst eindrucksvolle Weise agieren. Auch dieser Film geht am Ende gut aus: Das ausgegrenzte, gemobbte Mädchen erhält eine Entschuldigung.

 

Die diözesanweite Kampagne katholischer Verbände unter dem Motto „Armut trifft…“ gab den Ausschlag für den Filmwettbewerb von Kolping-Mainfranken. Junge Menschen zwischen 13 und 29 Jahren waren bis Mai diesen Jahres aufgefordert, Facetten jugendlicher Armut in einem Filmbeitrag zu thematisieren. Ein unabhängige Jury sichtete und bewertete die Beiträge für die Prämierung.

Peter Langer-Kolping-Mainfranken
Peter.langer@kolping-mainfranken.de

 

Zwei Bilder von Kolping-Mainfranken von der Preisverleihung:
Jugendliche aus den beteiligten Klassen und Ulrike Albrecht (mitte), Schulleiterin der Adolph Kolping-Schule in Schweinfurt bei der Preisverleihung.