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Eigentlich ist jeder ein Held

Jugendliche aus der Adolph-Kolping-Schule gestalten Wandgemälde mit Philipp Rau

Eigentlich ist jeder ein Held

Jugendliche aus der Adolph-Kolping-Schule gestalten Wandgemälde mit Philipp Rau

So wie Ghost Rider zu sein, fand Niklas früher super cool. “Wie der kämpfen kann”, sagt der Jugendliche von der Würzburger Adolph-Kolping-Schule mit integrierter heilpädagogischer Tagesstätte. Inzwischen schwärmt Niklas nicht mehr so sehr für den Superhelden aus den Marvel Comics. Im letzten Schuljahr hatte er sich allerdings noch mal intensiv mit der Figur befasst. Und zwar bei einem Kunstprojekt mit der “Inklusiven Akademie” aus Würzburg, das in diesem Schuljahr fortgesetzt wurde. Zwei eindrucksvolle Wandgemälde gingen daraus hervor. 

Nachdem nun alles fertig ist, kamen die Schüler zusammen, um zu reflektieren, was sie durch das Projekt gelernt hatten. Und das ist eine ganze Menge. Nicht nur in künstlerischer Hinsicht haben sie völlig neue Erfahrung gemacht.

Das Wandgemälde, auf dem, überlebensgroß, Hulk, Ghost Rider, Iron Man und Batman prangen, entstand letztes Schuljahr unter der Regie des Würzburger Künstlers Philipp Rau, einem Mitglied der “Inklusiven Akademie”. Allein von ihm haben die Jugendlichen viel Neues erfahren. Anfangs wusste keiner, wie so ein imposantes Kunstwerk überhaupt gestaltet werden kann. Wie man damit anfängt. Die Maße müssen ja stimmen. Die Proportionen.

“Wir haben dann die Figuren an die Wand projiziert und die Umrisse schwarz nachgemalt”, erzählt der 15-jährige Tyrese. Auch er mochte die Marvel-Charaktere als Kind sehr. “Läuft ein neuer Film im Kino, schaue ich mir den heute noch an”, erzählt er.

Die Arbeit begann eigentlich schon, bevor der Projektor eingeschaltet wurde. Als das Thema “Superhelden” feststand, musste sich die Gruppe von zehn Jugendlichen erst mal darauf einigen, welche Helden man abbilden wollte. Bekanntlich ist es alles andere als einfach, bei solchen Fragen auf einen Nenner zu kommen. Als die vier Figuren gefunden wurden, ging es an die Bildersuche. “Die Bilder durften nicht urheberrechtlich geschützt sein”, erklärt Thomas Bauereisen, der die heilpädagogische Tagesstätte der Adolph-Kolping-Schule leitet. Im Internet stießen die Teenager auf mehrere tolle, frei verfügbare Bilder. Wieder stellte sich die Frage: Welche wählen wir aus?

Der Malprozess schließlich stellte sich als langwieriger heraus als gedacht. Das ist aber auch schon etwas Besonderes in den heutigen Zeiten, selbst ein Bild zu kreieren, wo man doch nur einen Klick tun muss, und schon spuckt der Computer Hunderte Bilder aus. Gar ein großes Wandgemälde zu gestalten, kostet richtig Mühe. “Ich habe bis zum Schluss durchgehalten”, erzählt Niklas. Nicht alle schafften das, nicht alle hatten diese Ausdauer. Nach und nach sprangen Schüler ab. Bis am Ende nur noch ein harter Kern von sechs Schülerinnen und Schülern übrig blieb. Auch Tyrese war darunter.

Als die beiden Wandgemälde nach zehn Wochen endlich fertig waren, entdeckte das Team, dass etwas Entscheidendes unberücksichtigt geblieben war: Was sich da so heldenhaft auf der Wand tummelte, waren lauter männliche Superhelden! “Wir fanden, dass das nicht zu unserer Schule mit Tagesstätte passt”, erklärt Thomas Bauereisen. So kam die Idee auf, in diesem Schuljahr eine weitere Wand zu verzieren. Und zwar diesmal mit zwei Superheldinnen: Wonder Woman und Harley Quinn. Gestaltet wurden die Charaktere von einer reinen Mädels-Truppe.

“Es gibt inzwischen viele coole, intelligente Comic-Heldinnen”, sagt Thomas Bauereisen. Frauen, die im Comic-Universum Unglaubliches zu Wege bringen. Die mutig die Comic-Welt verändern. Solche Figuren, finden Niklas und Tyrese, bräuchte es auch in der echten Welt viel mehr.

Beim Nachdenken darüber, wer von jenen Menschen, die sie direkt oder indirekt kennen, heldenhaft ist, kommt Niklas sofort eine “Superheldin” in den Sinn: “Meine Mutter.” Wie die ihr Leben und das der Familie managt, das findet der Neuntklässler beachtlich. Tyrese denkt spontan an jenen Mann, der beim Attentat in Würzburg vor dem Woolworth versucht hatte, den Täter daran zu hindern, weitere Menschen zu töten. Niklas stimmt ihm zu. Er war, erzählt er, absolut beeindruckt von dem Mann, der unlängst im Aschaffenburger Park Schöntal dazwischenging, als ein Afghane Kindergartenkinder mit dem Messer attackiert hatte.

Und sie selbst? “Ich wäre gerne heldenhafter”, gibt Niklas zu. Er sieht schon ziemlich oft im Alltag, was er alles nicht so gut auf die Reihe kriegt. Was andere viel besser können als er. Zumindest scheint das für ihn so. Denn das ist am Ende ja die Frage: Ist jeder, der sich als Held geriert, der dauernd großtut, wirklich einer?

Manchmal steckt hinter der Heldenhaftigkeit eines andern nicht allzu viel. Das bekommt man allerdings nur mit, wenn man den, der vorgibt, ein Held zu sein, der immer so tut, als könne er Wunder was, näher kennen lernt. Aber wann hat man dazu schon Gelegenheit. Oder man kommt auf die Idee, das Heldentum eines, der sich dann hinterher als Pseudoheld herausstellt, auf seine Glaubwürdigkeit abzuklopfen. Manchmal zerbröckelt das Heldenhafte dann im Nu.

Heldenhaft war es auf jeden Fall, sich auf das Kunstprojekt eingelassen zu haben. Und zwar bis zum Ende. Durch alle Missgeschicke hindurch. “Einmal ist mir die schwarze Farbe ausgelaufen”, sagt Niklas. Egal. Die Spuren des Malheurs wurden rasch beseitigt. Niklas hatte sich nicht entmutigen lassen. Genau das macht echte Helden aus: Dass sie, was auch passiert, nie aufgeben.