Zum Inhalt springen

Sie ist sogar im Kreißsaal…

Kolping-Mainfranken kümmert sich im Projekt „Frauen-Land“ um geflüchtete Mütter

Sie ist sogar im Kreißsaal dabei

Kolping-Mainfranken kümmert sich im Projekt „Frauen-Land“ um geflüchtete Mütter

Ohne die Hilfe von Sonja Braun wäre ihre alles über den Kopf gewachsen. Wie hätte sie die Schwangerschaft, wie die Geburt und wie die ersten Tage mit ihrem Söhnchen Sidikie überstehen sollen? fragt sich Aisha. Sonja Braun, Leiterin des Jugendwohnens „Frauen-Land“ für geflüchtete Mädchen und junge Mütter, half der 18-Jährigen aus Sierra Leone, alles gut zu bewältigen. Sie bereitete Aisha auf die Entbindung vor. Ging mit ihr in die Klinik. Und war sogar bei Sidikies Geburt im Kreißsaal dabei.

Aisha kam im letzten Jahr in die Mutter-Kind-Einrichtung „Frauen-Land“. Seit 2019 ist diese im Kolping-Bildungszentrum auf dem Heuchelhof etabliert. Zuvor lebten die Frauen in einem Haus im Würzburger Stadtteil Frauenland. „2017 haben wir von Kolping-Mainfranken die Wohngruppe gegründet“, berichtet Sonja Braun. Aisha ist eine von acht Frauen, die im Moment im „Frauen-Land“ leben. Die Bewohnerinnen stammen aus Sierra Leone, Somalia, Eritrea und Syrien. Fünf Frauen sind Mütter. „Eine 19-Jährige aus Eritrea hat sogar zwei Kinder“, berichtet Christine Fabri, die das Kolping-Bildungszentrum Würzburg leitet. In Kürze wird eine afghanische Frau aufgenommen.

Einige der aufgenommenen Frauen hatten nicht die leiseste Ahnung, wie eine Geburt vonstatten geht. In ihrem Herkunftsland hatte nie jemand mit ihnen darüber gesprochen. „Einmal hatten wir sogar eine Frau, die gar nicht wusste, weshalb sie schwanger ist“, sagt Braun. Das Team der Wohngruppe klärt über Sexualität und Verhütung auf, begleitet die Frauen zum Frauenarzt und hilft bei allen Fragen, die während der Schwangerschaft, im Vorfeld der Geburt und nach der Entbindung auftauchen. Unterstützt wird das Kolping-Team von einer Hebamme. In den ersten zehn Tagen nach Sidikies Geburt kam diese auch täglich zu Aisha.

Das Projekt „Frauen-Land“ wurde von Kolping initiiert, weil die Nachfrage nach genau diesen Hilfeleistungen von Seiten junger Flüchtlingsfrauen so groß war, berichtet Braun. Aber auch Jugendämter in der Region sahen und sehen einen immensen Hilfebedarf. „In den Ländern, aus denen die Frauen stammen, geht man anders mit Kindern um als bei uns“, erklärt Braun. Meist laufen die Kinder nebenher mit. Gerade auf dem Land. Die Mütter müssen teilweise schwer schuften. Das aufzubauen, was man hierzulande unter „Bindung“ versteht, dazu fehlt die Zeit. „Es ist typischerweise wirklich oft das ganze Dorf, das die Kinder erzieht“, ergänzt Fabri.

Die Frauen aus dem „Frauen-Land“ kommen aus ganz Mainfranken sowie aus benachbarten Regierungsbezirken. Jede bringt ihre eigene, besondere Geschichte mit. „Wir hatten schon Frauen, die schwanger waren, weil sie auf der Flucht vergewaltigt wurden“, sagt Sonja Braun. In Aishas Fall war die Schwangerschaft zwar ungeplant, allerdings liebt die 18-Jährige den Vater ihres nun sieben Monate alten Sohnes. Auch Sidikies Papa stammt aus Sierra Leone. In Italien hatte er Aisha kennen gelernt. Die war mit 16 Jahren aus ihrer Heimat geflohen. „Ich hatte dort viele Probleme“, sagt die Jugendliche leise. Sie floh nicht zuletzt aus Angst vor Beschneidung.

Aisha war dankbar für jeden Hinweis von Sonja Braun, wie man sich auf die Geburt vorbereitet, welche Möglichkeiten des Gebärens es in Deutschland gibt, was beim Stillen zu beachten ist und ab wann man einem Baby Beikost gibt. Sidikies Geburt, erzählt die junge Frau, war schwierig gewesen: „Ich hatte drei Tage lang heftige Wehen.“ Sie ging mit Sonja Braun zur Klinik. Wurde wieder heimgeschickt. Versuchte, die Schmerzen auszuhalten. Und kam endlich ins Krankenhaus: „Vor der Geburt hatte ich große Angst.“ Dann war Sidikie auf der Welt. Glücklich nahm Aisha ihn mit in die Wohngruppe. Die ersten Nächte waren anstrengend: „Sidikie schrie viel, ich konnte kaum schlafen.“

Manchmal legte sich Aisha am nächsten Tag am Nachmittag noch mal hin. Sidikie ist  wusste sie, während sie schlief, in guter Obhut. „Kommen die Frauen nachts nicht zur Ruhe, kümmern wir uns tagsüber um die Kinder“, sagt Braun. Diesen Luxus wird Aisha bald nicht mehr haben. Denn das Jugendamt wird die Maßnahme nicht mehr lange finanzieren. Das macht Aisha Sorgen: „Ich hatte gedacht, dass ich so lange hierbleiben könnte, bis Sidikie ein Jahr alt ist.“ Die Vorstellung, alleine in einer Gemeinschaftsunterkunft zu wohnen, macht ihr Angst. Zum Papa ihres Sohnes kann sie nicht. Der wohnt 250 Kilometer von Würzburg entfernt. Er kann von dort nicht weg. Und sie darf nicht zu ihm.

Immerhin hat Aisha in den letzten Monaten viele Probleme in den Griff bekommen, hat sie sehr viel gelernt. Sie weiß auch, dass sie nicht völlig alleine sein wird, wenn sie aus dem „Frauen-Land“ ausgezogen ist. „Wir haben eine intensive Beziehung zu vielen Frauen, die in den letzten drei Jahren bei uns gewohnt haben“, sagt Sonja Braun. Oft bekommt die Wohngruppe Besuch von einer „Ehemaligen“. Braun sieht auf diese Weise die Kinder, bei deren Geburt sie mit dabei war, heranwachsen. Erste Worte sprechen. Erste Schritte gehen. Betreut von Müttern, die dank Kolping wissen, wie wichtig eine enge Bindung zu ihren Babys ist.