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So sanft und lieb wie Giraffen

Kolping-Akademie startet mit der Gemeinde Hettstadt Pilotprojekt zur Werteerziehung

So sanft und lieb wie Giraffen

Kolping-Akademie startet mit der Gemeinde Hettstadt Pilotprojekt zur Werteerziehung

Wie wir gut miteinander leben können, darüber ist aktuell eine lebhafte Debatte im Gang. Die Erwachsenen, die hierüber in Parlamenten und Veranstaltungen diskutieren, sollten dazu mal die Kinder der 2c aus der Hettstadter Grundschule fragen. Denn die haben sich im Rahmen des Pilotprojektes „Im Herzen stark!“ der Würzburger Kolping-Akademie sowie der Gemeinde Hettstadt seit Jahresbeginn zu Experten in Sachen „Werte“ gemausert. Gut miteinander umzugehen, sagen Helena, Johanna, Jonas und Jannik, ist im Grunde gar nicht so schwer.

Früher wurde Kindern in der Familie und Gemeinschaft vorgelebt, was christliche Nächstenliebe oder die Weisheit „Was du nicht willst, dass man dir tut…“ konkret im Alltag heißt. „Doch der Halt und die Bindung durch Familie, Kultur und Religion hat abgenommen“, sagt Daniel Monette von der Kolping-Akademie, der das Werteprojekt zusammen mit Eva-Maria Bayer, Hettstadts Gemeindejugendpflegerin, durchführt. Im Angesicht unserer schnelllebigen, globalisierten und multikulturellen Welt, steigen auch die Anforderungen an unsere Jüngsten. „Es ist uns daher eine Herzensangelegenheit, unsere Kinder für einen friedlichen, toleranten und nachhaltigen Umgang zu sensibilisieren und zu stärken“ sagt Tanja Eisler, Leiterin der Kolping-Akademie. Aus diesem Grund ist bei Kolping die Idee eines Pilotprojekts zur Werteerziehung entstanden, welches mit der Gemeinde Hettstadt einen engagierten und kompetenten Projektpartner gefunden hat. Werte zu vermitteln und einen wertschätzenden Umgang zu pflegen, um für eine gute  Atmosphäre in der Schule und auch Gemeinde zu sorgen, das ist auch der Gemeinde laut Bürgermeisterin Andrea Rothenbucher sehr wichtig. Aus diesem Grund investiert Hettstadt freiwillig in die Schulsozialarbeit an der Grundschule und führt in diesem Rahmen bereits seit 10 Jahren Klassenprojekte durch.

Gabriele Neumann, Klassenlehrerin der 2c, bestätigt, dass heute keine Schule vor Mobbing und zwischenmenschlichen Konflikten gefeit ist. Um gegenzusteuern, müssen so früh wie möglich Werte wie Toleranz und Mitgefühl vermittelt werden. Darum sind Initiativen wie „Im Herzen stark!“ so wichtig. Um sich friedlich und solidarisch verhalten zu können, ist es essenziell, sich selbst und die eigenen Gefühle zu kennen. Das ist gar nicht so einfach, erfuhren die Kinder bei Daniel Monette und Eva-Maria Bayer. Klar weiß man, ob man gut oder schlecht drauf ist. Aber wann ist man „gut drauf“? Darüber mussten sich die Kinder erst mal den Kopf zerbrechen. Na ja, fanden sie heraus, gut drauf ist man, wenn man glücklich ist. Oder zumindest fröhlich. Oder wenn man sich lustig fühlt. Und richtig schlecht drauf ist man, wenn Angst oder Wut in einem gären.

Wer sich mit Gefühlen auskennt, kann viele „Schubladen“ über Bord werfen. Guckt zum Beispiel einer etwas grimmig, heißt das nicht automatisch, dass er in die Schublade „Miesepeter“ gehört. Hinter einem grimmigen Gesichtsausdruck können auch Wut oder Trauer stecken. Vielleicht ist derjenige auch krank und hat Schmerzen. Menschen, die um die große Gefühlspalette wissen, sind imstande, sensibel und empathisch mit ihren Mitmenschen und auch mit sich selbst umzugehen. Aber was tut man mit seinen Gefühlen, wenn sie zu viel werden? Durch verschiedene Methoden lernen die Kinder, wie man seine Wut nicht einfach beim nächstbesten Mitmenschen abreagiert, sondern so rauslässt, dass es niemandem schadet. „Wir durften im Projekt zum Beispiel so richtig wütend auf eine Matratze einschlagen“, verrät Jannik.

Im Pilotprojekt „Im Herzen stark!“ erhalten die Kinder eine ganze Fülle von Anregungen, wie sie Konflikte vermeiden und wie sie Konflikte lösen können. Dass nicht nur Gefühle dabei eine Schlüsselrolle spielen, sondern auch Worte, demonstriert Jannik mit einer Wolf-Stoffpuppe, die er sich soeben über seine Hand streift. Der Wolf faucht einfach los. Oder beleidigt und beschuldigt. „Er sagt zum Beispiel: ‚Blöde Kuh!‘“, meint Johanna. Hinter den Kindern steht aber auch eine große Giraffe. Die, haben sie gelernt, spricht ganz anders. Durch die Giraffensprache, welche auf dem Konzept der gewaltfreien Kommunikation nach Marshall Rosenberg basiert, haben die Kinder gelernt ihre Gefühle zu äußern und zu sagen, was sie stört, statt einfach zu reagieren. „Sie sagt ‚danke‘ und ‚bitte‘“, weiß Jonas. Dadurch schafft sie gleich eine ganz andere Atmosphäre. Wenn jemand so nett spricht, möchte man selbst auch nett sein.

Wie sehr grobe Worte weh tun können, das weiß jedes Kind aus eigener Erfahrung. Helena, Johanna, Jonas und Jannik haben durch „Im Herzen stark!“ nun auch die Erfahrung gemacht, welchen Effekt ein positives Verhalten erzeugt. Einmal nämlich hatten sie eine Hausaufgabe auf, durch welche sie andere Menschen in eine positive Stimmung versetzen sollten. Helena gelang das mühelos indem sie ihrer Mama ein Lächeln entlockte: „Ich hab‘ ihr ‚Danke!‘“ gesagt dafür, dass sie immer für mich da ist.“ Auch der Papa bekam strahlende Augen: „Bei dem habe ich mich bedankt, dass er mein Zimmer neu gemacht hat.“

Wie oft vergisst man doch im Alltag, einem anderen Menschen einmal Dank zu zollen, für das, was er so ganz selbstverständlich tut. Die Kinder der 2c wollen das nicht mehr vergessen. Wie sie auch nicht mehr vergessen wollen, welche große Bedeutung Gefühle haben.

„Den Kindern einen sozialen Wertekoffer fürs Leben mitzugeben, welcher ihnen Halt und Orientierung gibt, das wäre mein großer Wunsch dieses Projektes“ sagt Tanja Eisler.

Alles deutet schon jetzt darauf hin, dass das aus neun Modulen bestehende Werteprojekt eine nachhaltige Wirkung hat. Das Thema Wertebildung soll daher zukünftig zum einen bei allen von der Kolping-Akademie Würzburg betreuten schulischen Ganztagsangeboten einen zentralen Stellenwert einnehmen. Zum anderen  sollen weitere Grundschulen gefunden werden, welche Interesse an der Durchführung eines Projektes zur Werteerziehung haben. Langfristig wird angestrebt, das Konzept in möglichst vielen Schulen anzubieten, um eine flächendeckende Wertebildung in der Region Mainfranken zu ermöglichen – für eine friedliche und solidarische Zukunft.