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Statt Nationalstolz und…

Integrationsbeauftragte erklärt, wie man wirklich zum echten Würzburger wird

Statt Nationalstolz und Deutschlandflagge

Integrationsbeauftragte erklärt, wie man wirklich zum echten Würzburger wird

Wie gelingt Integration? Wie klappt der Start in ein neues Leben in einem anderen Land am besten? In Zeiten von Fachkräftemangel und Flüchtlingsströmen wird es gesellschaftlich sowie politisch immer wichtiger, Antworten auf diese Fragen zu finden. Die Unionsfraktion aus CDU/CSU haben im Bund vor wenigen Wochen ihren Vorschlag vorgestellt –allen voran Initiator Phillip Amthor.

Mit dem "Bundesprogramm Patriotismus", das bereits als Antrag im Bundestag diskutiert wurde, will die Union den Nationalstolz fördern - und sieht darin offenbar die Lösung in der Diskussion um gelungene Integration. Zentral bei dem Antrag sind vor allem drei Punkte: den 23. Mai als Nationalfeiertag einführen (am 23. Mai 1949 trat das Grundgesetz in Kraft), die ganzjährige Sichtbarkeit von Nationalsymbolen wie etwa Deutschlandflaggen und häufigeres Singen der Nationalhymne.

Neben Sprache ist vor allem der Umgang mit Alltagssituationen entscheidend

"Um die Integration voranzutreiben, gibt es wichtigere Sachen als Nationalstolz", sagt Sigrid Mahsberg, Integrationsbeauftragte an der Kolping Akademie in Würzburg. Sie wünscht sich stattdessen mehr Zeit für Integrationskurse. Denn aktuell reiche diese häufig nicht aus, um alle notwendigen Inhalte für den Start im neuen Land zu vermitteln. Das Bundesministerium für Migration und Flüchtlinge (BAMF) schreibt für den allgemeinen Integrationskurs 700 Stunden vor, 600 davon sind für den Sprachkurs vorgesehen, 100 für den Orientierungskurs. 

Auch die Kursinhalte werden vom BAMF vorgegeben. So lernen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer neben der Sprache auch, sich im Alltag zurechtzufinden. Themen wie Arztbesuche, Einkaufen und Amtswege stehen im Orientierungskurs auf dem Programm. "Das sind alltagsnahe Themen, die helfen, sich schneller in die Gesellschaft einzufinden", sagt Theresa Kirchner, Bereichsleiterin für Sprache und Integration an der Kolping Akademie.

Doch häufig würden die 100 Stunden nicht ausreichen, so Kirchner, denn die Teilnehmerinnen und Teilnehmer kommen aus unterschiedlichen Ländern und ähnlich individuell seien auch ihre Bedürfnisse und Fragen. Neben Themen wie Familie, Beruf oder Umwelt sei es auch wichtig, das politische System in Deutschland zu erklären. "Wir haben auch einige Personen, die aus einer Diktatur kommen. Für sie ist die Veränderung besonders groß", so Mahsberg. Sie müssten erst lernen, dass sie ihre Meinung in Deutschland frei äußern dürften und dies sogar erwünscht sei.

Beruf, Sprache und soziale Kontakte sind wichtig für die Integration

So ging es auch Inna Kopp. Als sie vor 25 Jahren von Kasachstan nach Deutschland kam, besuchte auch sie einen der Integrationskurse der Kolping Akademie. "Für mich war Deutschland ein ganz neues Land. Bei uns war alles verboten, hier war alles offen", erinnert sie sich zurück. Beim Integrationskurs habe sie dann gelernt, wie man einen Termin beim Amt vereinbart, bei Besuchen im Rathaus vieles über die Bürokratie gelernt oder sei mit dem Kurs über einen Flomarkt gelaufen.

Heute unterrichtet sie selbst Deutschkurse an der Akademie, hat ihr Masterstudium abgeschlossen und fühlt sich in Deutschland angekommen. Sie weiß: Sprache, Beruf und soziale Kontakte sind essenziell bei der Integration. "An Nationalstolz habe ich nie gedacht", sagt Kopp. Deutschland habe sie immer positiv wahrgenommen und wisse auch von anderen, dass sie Pünktlichkeit, Ordnung, Autos oder Geranien am Balkon mit Deutschland verbinden.

Viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer wollen einen Beruf finden und ankommen

"Integration ist in allererster Linie ein Gefühl", so Kirchner. Entweder man fühle sich einem Land, einer Kultur oder einer Gesellschaft zugehörig oder nicht. Die Sprache sei dabei ein Türöffner, denn nur so könne man erst Teil der Gesellschaft werden. Darauf baue alles auf. In den Kursen erlebe sie auch immer wieder, wie wichtig es den Teilnehmerinnen und Teilnehmer ist, eine Arbeit zu finden.

"Arbeit gibt ihnen das Gefühl, gebraucht zu werden und ist eng mit Integration verbunden", sagt die Bereichsleiterin. Deshalb wünsche sie sich vor allem Nachbesserung bei der Anerkennung von Berufsabschlüssen und niedrigschwellige Berufseingliederungsangebote. Arbeit finden sei für viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer eng mit dem Ankommen in Deutschland und der Gesellschaft verbunden.

Letztendlich sei Integration aber immer ein langer Prozess, der - anders als einige glauben - nicht daran gebunden sei, die Herkunftskultur aufzugeben. Und noch wichtiger: "Integration funktioniert in beide Richtungen", sagt Mahsberg. Es sei vor allem auch wichtig, dass ein Land offen sei, Menschen aus anderen Ländern aufzunehmen und sie als Teil der Gesellschaft zu einzubinden. Wenn Integration gelingt, könnten Deutschland und Europa Vorbild dafür werden, dass viele verschiedene Nationen friedlich zusammenleben.

Quelle: Main-Post, online erschienen am 28.06.2023