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Who is the angel?

Waldbrunner Künstlerin Anita Melber stellt im Kolping-Center Mainfranken aus

Who is the angel?

Waldbrunner Künstlerin Anita Melber stellt im Kolping-Center Mainfranken aus

Plötzlich musste man nicht mehr von Termin zu Termin hasten. Plötzlich stand das Leben still. „Man war auf sich selbst zurückgeworfen“, sagt Anita Melber. Die Corona-Krise wirkte sich deutlich auf das Schaffen der Waldbrunner Künstlerin aus. „Es entstanden zartere, aber auch ernstere Bilder“, berichtet die Künstlerin, deren Gemälde ab dem 12. Oktober unter der Überschrift „Zurück ins Leben“ in der Galerie im Treppenhaus des Kolping-Centers Mainfranken zu sehen sein werden.

Anita Melber ist weder Melancholikerin noch neigt sie zu Pessimismus. Allerdings ist sie sehr wach. Mit hellwachem Blick nimmt sie wahr, was in ihrem ureigenen Mikrokosmos passiert. Sie setzt sich allerdings auch mit dem Weltgeschehen auseinander. Und zwar sehr bewusst. Und reflektiert. Nun stimmt das, was in der Welt geschieht, derzeit in keiner Weise optimistisch. Der Krieg bedrückt. Überhaupt: Die vielen globalen Krisen. Immer mehr Menschen schalten inzwischen ab. Nicht so Anita Melber. Sie möchte die Augen nicht verschließen vor dem, was vor sich geht. Gleichzeitig will sie sich jedoch auch nicht die Lebensfreude rauben lassen. Ihre Werke erzählen von diesem Spagat.

Gewalt erzeugt Gegengewalt und Hass gebiert neuen Hass. Das ist eine uralte Weisheit. Werden Gewalt und Hass nicht unterbrochen, geht es endlos weiter mit dem Leid. In neuen, ausdrucksstarken Bildern greift Anita Melber diese Gedanken unter Rückgriff auf die biblische Geschichte von Kain und Abel auf. Einmal stellt sie die Geschichte so dar, wie sie in der Bibel steht: Kain wird Abel gegenüber gewalttätig. In einem zweiten Bild ist ein Abel zu sehen, der um Versöhnung bittet. Inspiriert wurde dieses Acrylgemälde von Hilde Domins Gedicht „Abel steh auf“. Die beiden großformatigen Gemälde sind im vierten Stock des Kolping-Centers in der Nähe der Kapelle zu sehen.

Alle Menschen sehnen sich danach, in Frieden und Freiheit leben zu können. Nun stellt sich bei Konflikten die große Frage, wie es möglich ist, sie beizulegen. Hilde Domins Gedicht richtet sich nicht an Kain. Richtet sich nicht an denjenigen, der angegriffen hat. Es richtet sich an Abel. „Der Verletzte, derjenige, dem Unrecht angetan wurde, muss nach diesem Gedicht den ersten Schritt wagen“, sagt Anita Melber. In dem Gemälde kommt Kain aus der Dunkelheit. Er strahlt Härte aus. Ist aber nicht ganz und gar abweisend. Ein wenig argwöhnisch schaut er drein. Doch es scheint nicht so, als wäre er völlig abgeneigt, die Hand, die Abel ihm offen entgegenstreckt, anzunehmen.

Während Forscher ein Problem untersuchen wollen, streben Künstlerinnen und Künstler, die sich im weitesten Sinne als politisch verstehen, danach, Phänomene sichtbar zu machen. Anita Melber geht es in vielen ihrer Gemälde um Beziehungen zwischen Menschen. Und darum, zwischenmenschliche Situationen zu durchleuchten. Ein Beispiel dafür ist das Bild „Who is the angel?“. Eine „engelblonde“ Frau schaut den Betrachter an. Etwas in ihren Augen beunruhigt. Da blitzt Kalkül durch. Dieses Wesen scheint sich seiner eigenen Ausstrahlung allzu sehr bewusst zu sein.

Mit dieser Person, scheint es, ist irgendwas faul. Irgendetwas stimmt nicht. Sein und Schein lassen sich schwerlich Deckung zu bringen. Links im Bild ist eine dunkel gehaltene, weibliche Person zu sehen. Sie wirkt nicht eben wie ein Engel. Sie zieht nicht sofort die Aufmerksamkeit auf sich. Zieht nicht sofort in Bann. Dennoch mag sie der „echtere“ Engel sein.

Anita Melber malt in aller Regel keine Motive, die jene, die sie betrachten sollen, in- und auswendig kennen. Der Betrachter muss sich vielmehr gründlich mit ihren Werken auseinandersetzen, um zu verstehen, was dahintersteckt. Hinter jedem einzelnen Bild steckt sehr viel mehr, als auf dem ersten Blick sichtbar ist. Anita Melber malt nicht um des Malens willen. „Ich will vor allem nicht dekorativ sein“, betont sie. Das bedeutet nicht, dass ihre Gemälde verstörend oder unästhetisch wären. Ganz im Gegenteil. Eines ihrer jüngsten Bilder, das tanzende Frauen zeigt, ist hochästhetisch. Aber gerade es dient keinesfalls zu rein dekorativen Zwecken.

Diese vier Frauen, die vermutlich nicht nach einer Choreografie tanzen, die sich wahrscheinlich völlig frei am Meer bewegen, drücken Anita Melbers Sehnsucht nach Lebensfreude inmitten einer krisengeschüttelten Zeit aus. Die Figuren selbst sind, wie das für Anita Melbers künstlerische Handschrift typisch ist, nicht fest umrissen. Sie scheinen sich aufzulösen, in die Umgebung hinein. Sie scheinen eins zu werden mit dem, was sie umgibt. Mit der Natur, die in vielen anderen Gemälden Gegenstand von Anita Melbers Schaffen ist. Mit dem Leben. Das so ungemein kostbar ist. Das so zart ist. Und so ungemein verletzlich.

Die Ausstellung ist täglich Mo – Fr von 08:00 – 17:00 und Sa von 08:30 – 15:00 Uhr geöffnet. Der Eintritt ist frei.