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„Wir würden gerne wählen…

Wie Politiker manchmal über Jugendliche reden, das findet Paul Ritter schon ein bisschen merkwürdig. „Sie denken, wenn wir 16 sind, wären wir…

„Wir würden gerne wählen gehen!“

Wie Politiker manchmal über Jugendliche reden, das findet Paul Ritter schon ein bisschen merkwürdig. „Sie denken, wenn wir 16 sind, wären wir noch nicht reif genug, um zu wählen, aber das stimmt nicht“, sagt der Würzburger Kolping-Mittelschüler, der vor kurzem mit seinen Klassenkameraden einen Tag im Bayerischen Landtag verbrachte. Dort wurde über das Wahlrecht ab 16 Jahren diskutiert. Und zwar reichlich kontrovers. Die Gegenargumente konnte der Achtklässler nicht nachvollziehen.

Die eintägige Reise nach München machte auf die Jugendlichen von der Adolph-Kolping-Schule einen großen Eindruck. Allein das Landtagsgebäude imponierte ihnen. „Dass es so riesengroß ist, das hätte ich nie gedacht“, meint Mittelschüler Eric Reschke.

So manches hatte die Kolping-Schüler in München überrascht. Paul Ritter zum Beispiel war erstaunt, wie trubelig es in einem Plenarsaal zugeht. Während die einen reden, unterhalten sich andere völlig ungerührt miteinander: „Manche schreien sogar in die Redebeiträge hinein.“ Wieder andere checken ihre Mails, recherchieren etwas im Internet oder stehen, das Handy am Ohr, auf, begeben sich nach draußen und telefonieren. In einem Klassenzimmer wäre das alles ganz unmöglich: „Wenn bei uns jemand redet, hören die anderen zu.“

In Gesprächen mit der Grünen-Landtagsabgeordneten Kerstin Celina, auf deren Einladung insgesamt 38 Schüler der Mittelschule und der Berufsschule von Kolping in Mainfranken den Landtag besuchten durften, erfuhren die Teenager, warum das so ist. Politiker machen einen anstrengenden Job. Ein Thema jagt in den langen Sitzungen das andere. Ständig trudeln neue Infos zu den verschiedenen Tagesordnungspunkten ein. Es ist notwendig, sich zwischendurch mit den Fraktionskollegen abzustimmen. Fristen müssen eingehalten werden. Wird zum Beispiel ein Antrag zu spät eingereicht, kann er nicht im Plenum behandelt werden.

Von den Debatten, die am Mittwoch auf der Agenda standen, war jene über das Wahlrecht für die Kolping-Schüler am spannendsten. Auch Kimberly Collin versteht nicht, warum sich manche Politiker in Bayern dagegen sträuben, Teenager schon mit 16 Jahren an die Wahlurne zu lassen. „Ich würde gerne wählen gehen, schließlich geht es um meine Zukunft“, sagt die 15-Jährige, die im vergangenen Jahr an der Würzburger U18-Wahl zum Landtag teilnahm. Kimberly treibt, wie viele ihrer Altersgenossen, das Thema „Klimaschutz“ um. Würden mehr junge Menschen wählen dürfen, würde sich hier sicherlich mehr zum Positiven ändern, ist die Jugendliche überzeugt.

Schülersprecherin Samantha Labahn denkt ähnlich. Die 16-Jährige liebt Tiere. Vor allem solche, die gemeinhin als „gefährlich“ gelten. Tiger oder Wölfe zum Beispiel. „Weltweit gibt es nur noch 500 Tiger“, weiß die Jugendliche. Überhaupt schwinden die Arten. Worüber derzeit ja auch eine Menge geredet wird. Doch es müsste mehr getan werden. „Warum werden immer noch Straßen gebaut?“, fragt sich Samantha. Davon gibt es doch wirklich genug! Ihr Schulkamerad Eric Reschke sieht das genauso. Obwohl ständig von Naturschutz die Rede ist, werden weiterhin Bäume gefällt, beobachtet er: „Das schadet nicht nur den Tieren, sondern auch uns Menschen.“

Wünschen würden sich Samantha, Eric, Paul und Kimberly, dass Politiker stärker an einem Strang ziehen. Es sei ja gut und wichtig in einer Demokratie, dass es eine Opposition gibt, meinen sie. „Doch man hat oft das Gefühl, dass es Parteien nur um sich selbst geht“, erklärt Eric. Und eben nicht wirklich um das Thema, das gerade diskutiert wird. Und um die beste Lösung. „Die Meinung der Gegenseite scheint gar nicht zu interessieren“, hat auch Samantha im Landtag beobachtet. Dabei sei es so wichtig, unterschiedliche Ansichten zu hören.

Auch wenn manches ein wenig ernüchternd war, machte der Besuch im Landtag den Jugendlichen Lust auf Politik. Jeder, ist Kimberly überzeugt, hat in der Demokratie die Möglichkeit, etwas zu verändern. Indem er sich in einer Partei engagiert. Indem er wählen geht. Indem er sich in ein Parlament wählen lässt. Oder indem er öffentlich auf ein Problem aufmerksam macht.

Wünschenswert wäre es für die Kolping-Schüler, wenn Politiker Jugendliche ernster nehmen würden. So, wie zum Teil über sie diskutiert wurde, zeugt nach Meinung von Berufsschülerin Yvonne Stolier davon, dass manche Abgeordneten keinen intensiven Kontakt zu jungen Menschen haben. „Wir sollen mit 15 Jahren fähig sein, einen Beruf für unser Leben zu wählen“, bestätigt Samantha. Wenn einem jungen Menschen das zugetraut wird, dann sollte man ihm genauso zutrauen, eine politische Entscheidung treffen zu können.